Reportage: Der Traum von Andermatt

BenB am 02 Februar 2022

Andermatt: jetzt ein modernes Skigebiet
Andermatt: jetzt ein modernes Skigebiet

Wer bei Andermatt immer noch an das verschlafene Bergdorf mit seinem veralteten Skigebiet denkt, ist schon lange nicht mehr über den Gotthardpass gefahren. In den letzten fünfzehn Jahren hat das Dorf eine gigantische Metamorphose durchgemacht und ist mit der Andermatt-Sedrun zu einem der modernsten Skigebiete der Schweiz geworden! Höchste Zeit für eine Reportage.

Fast am Ende

Andermatt liegt in der Gotthardregion in der Mitte der Schweiz. Ein leicht erreichbarer Ort an der Kreuzung von drei Bergpässen: dem Gotthard-, Furka- und Oberalppass. Es ist auch ein Ort, an dem verschiedene Kulturen aufeinandertreffen und an dem nicht weniger als vier Flüsse entspringen: der Rhein, die Reuss, die Rhône und der Ticino. Ein besonderer Ort also, mit einem Skigebiet, das aufgrund seiner Höhenlage - 1.444 bis 2.961m - sehr schneesicher ist. Alle Voraussetzungen für eine florierende Tourismusbranche sind also gegeben. Trotzdem war Andermatt vor 15 Jahren fast am Ende.

Das hatte alles mit den Kürzungen der Schweizer Armee zu tun. Andermatt hatte ein Kaserne in der Nähe des Dorfes, in dem 200 der 1.200 Einwohner arbeiteten. Aufgrund der abnehmenden internationalen Bedrohung beschloss die Regierung 2004, die Kaserne zu schließen. Der wichtigste Arbeitgeber im Tal verließ die Stadt und die wirtschaftlichen Folgen waren katastrophal. Der Tourismus, der bis dahin nur als Nebenerwerb galt, konnte die Einkommensverluste keineswegs ausgleichen. Außerdem ignorierten die Skiurlauber den Ort aufgrund des begrenzten Skigebiets und der veralteten Lifte (außer für Freerider, siehe Kasten Freerideberg) zunehmend.

Ägyptischer Mega-Investor

Alles änderte sich, als der ägyptische Milliardär Samih Sawiris auf der Bildfläche erschien. Sawiris ist die große treibende Kraft hinter dem mittlerweile hypermodernen Skigebiet. Nach der Schließung der Kaserne suchte die Schweizer Regierung nach neuen Entwicklungsmöglichkeiten, und 2005 wurde Sawiris gebeten, ein Tourismuskonzept zu entwerfen. Er beschloss, die Umsetzung ganz in die eigenen Hände zu nehmen und legte einen Plan für ein luxuriöses Ferienresort auf dem Gelände der Kaserne vor. Der Investor hat mit Immobilienprojekten Erfahrung, so hat er u.a. den ägyptischen Badeort El Gouna auf dem Reissbrett entwerfen lassen. Nach anfänglicher Skepsis unterstützten die Einwohner von Andermatt in einer Volksabstimmung mit überwältigender Mehrheit (96 Prozent!) den Plan. Sawiris kaufte das Land und baute das Resort [Andermatt Swiss Alps] (https://www.andermatt-swissalps.ch/de/portraet/ueber-uns). Im Jahr 2009 erfolgte der erste Spatenstich und heute gibt es mehrere Luxushotels und Apartmentgebäude, ein Konzert- und Kongresszentrum, einen 18-Loch-Golfplatz und mehrere schicke Restaurants und Boutiquen. Das Flaggschiff des Megaprojekts ist zweifelsohne The Chedi, ein Fünf-Sterne-Hotel mit 123 exklusiven Zimmern und Suiten.

Skigebiet groß in Szene gesetzt

Das war noch nicht alles. Sawiris hat auch das Skigebiet aufgekauft und das fast Unmögliche geschafft. Innerhalb weniger Jahre wurde das in die Jahre gekommene Skigebiet komplett umgebaut. Seit 2015 wurden vierzehn neue Lifte gebaut, eine Verbindung zum Skigebiet von Sedrun, moderne Beschneiungsanlagen und neue Bergrestaurants. Allein im Jahr 2018 wurden 150 Millionen Schweizer Franken in das Skigebiet gepumpt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die SkiArena Andermatt - Sedrun ist mit über hundert Pistenkilometern das größte zusammenhängende Gebiet der Zentralschweiz und eines der modernsten, wenn nicht sogar das modernste der ganzen Schweiz.

[Andermatt]](https://cdn.wintersport.nl/media/content/2022/01/31/SkiArena-Pistenplan.jpeg “Das neue Skigebiet von Andermatt”)](https://cdn.wintersport.nl/media/content/2022/01/31/SkiArena-Pistenplan.jpeg)

Perfekter Berg für Anfänger

Wir steigen an der Talstation des Gütsch Express ein, einer der brandneuen Gondelbahnen von Andermatt. Was uns auffällt, ist die perfekte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr. Das brandneue Bahnhofsgebäude liegt direkt neben dem Lift. Der Zug kommt aus drei Richtungen und du kannst durch einen kleinen Tunnel in den Skilift gehen. Der Gütsch Express ist der Hauptzugang zum Skigebiet, der bis nach Sedrun führt. In zwei Etappen erreichen wir den Gütsch (2.344m), wo sich eine Reihe von welligen Abfahrten anbieten. Es ist klar, dass dies ein echter Familienberg ist, auf dem alle mitkommen können. Die Pisten sind breit und eng und an der Mittelstation Nätschen gibt es einen großen Kinderbereich mit einem Kinderrestaurant. Um wieder nach unten zu gelangen, fährst du auf einer sehr flachen, kurvenreichen Piste zurück nach Andermatt. Bei der Abfahrt bemerken wir eine Leitplanke neben der Piste. Der Groschen fällt: Wir fahren auf der Oberalpstraße, einer Verkehrsstraße zum gleichnamigen Bergpass, die im Winter als blaue Piste genutzt wird. Das bedeutet, dass die andere Seite des Skigebiets, Sedrun, im Winter nicht mit dem Auto erreicht werden kann. Berücksichtige dies bei der Planung deiner Route von Deutschland aus, denn du wärst nicht der erste, der mit einem geschlossenen Bergpass konfrontiert wird. Wir fahren mit dem Gütsch Express zurück auf den Berg und sehen, dass der Berg jetzt komplett in der Sonne liegt. Es ist klar, dass Sonnenanbeter hier für den Rest des Tages auf ihre Kosten kommen.

Skifahren am Oberalppass

Wir fahren weiter in Richtung Sedrun. Mehr und mehr betreten wir das Hochgebirge. Mächtige Gletscher erscheinen am Horizont und im Skigebiet ist kein einziger Baum zu sehen. In der Ferne taucht ein zugefrorener See mit einigen Häusern auf. Der Abstieg zu den Hütten erfolgt über den Schneehüenerstock-Flyer, einen modernen Sessellift, der auf den gleichnamigen Berg führt. Es ist der Oberalppass, der Bergpass (2.044 m), der den Kanton Uri mit Graubünden verbindet. Einst ein Ort, an dem sich zwei Kulturen trafen, heute eine Skiverbindung. Von hier aus betrittst du das Skigebiet Sedrun.

Auf der Spitze des Passes gibt es ein weiteres markantes Merkmal: einen echten Leuchtturm. Wir gehen zu den Informationskiosken, um zu verstehen, was so ein Objekt hier zu suchen hat. Er ist eine Nachbildung des alten Leuchtturms von Hoek van Holland in den Niederlanden! Wir stehen hier, etwa eine Stunde Fußmarsch von dem Ort entfernt, an dem der Rhein offiziell entspringt. Der Turm wurde von der Gemeinde Tujetsch/Sedrun aufgestellt, um die Verbindung zwischen dem Ursprung und der Rheinmündung (bei Hoek van Holland) zu betonen.

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Wir nehmen den Oberalp-Flyer und fahren weiter in Richtung Sedrun. Über verlassene Täler erreichen wir Lifte, die nahtlos an die Sklifte und Pisten von Andermatt angeschlossen sind. Es ist jedoch auffällig, dass der Einfluss von Samih Sawiris abnimmt. Die Liftinfrastruktur in diesem östlichen Teil des Gebiets ist deutlich älter, aber die Pisten stehen dem in nichts nach. Langsam aber sicher kommen wir in tieferes Gelände und das Dorf Sedrun taucht in der Ferne auf. Uns ist klar, wie weitläufig dieses Skigebiet ist und wie viele Kilometer man an einem solchen Tag tatsächlich zurücklegt. Es erinnert uns an das ebenfalls langgestreckte Skigebiet Hochkönig in Österreich, aber dann in größerem Umfang und oberhalb der Baumgrenze.

Eine Tour macht hungrig. Zum Glück gibt es im Skigebiet mehrere Bergrestaurants. Auf dem Abstieg vom Cuolm Val nach Sedrun machen wir einen Zwischenstopp im Weiler Milez. Hier findest du eine Handvoll rustikaler, hölzerner Berghütten: das Bild, für das die Schweiz so berühmt ist. Übrigens findest du im Zentrum von Andermatt ebenso alte, traditionelle Häuser, die im krassen Gegensatz zr modernen Architektur am Dorf stehen. Wir lassen uns nicht lange mit dem Mittagessen Zeit, denn wir müssen noch eine anständige Anzhal Pistenkilometer zurücklegen. Das liegt daran, dass der Skipass auch in Disentis, einem anderen Dorf weiter unten an der Straße, gültig ist. Seit 2019 verbindet die moderne Shuttlebahn Cuolm da Vi das Dorf Sedrun mit dem Skigebiet Disentis 3000 und bietet damit weitere 60 Pistenkilometer.

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Der Zug als Alternative zum Skilift

Um das Skigebiet Disentis zu erreichen, musst du eine kurze Strecke mit dem Zug fahren. Dieser ist im Skipass enthalten und der Bahnhof befindet sich direkt neben der Talstation. Der Zug der Matterhorn Gotthard Bahn, ist eine Alternative zu den großen Skiliften. Die Bahn folgt dem Skigebiet und jede Talstation zwischen Andermatt und Sedrun kann mit dem Zug erreicht werden. Wenn du zum Beispiel in Andermatt wohnst und die steileren Hänge oberhalb des Oberalppasses vermeiden willst, kannst du in Dieni (bei Sedrun) aussteigen. Auch der bereits erwähnte Kinderbereich am mittleren Bahnhof Nätschen hat einen eigenen Bahnhof. Die Abfahrts- und Ankunftszeiten können an der Piste abgelesen werden.

Freeride- Berg: Im rechten Winkel zur Pistenkette Andermatt-Sedrun liegt ein weiteres Teilgebiet: der 2.961 Meter hohe Gemsstock. Dieser freistehende Berg hat nur eine Handvoll Lifte und 31 Pistenkilometer, aber eine Vielzahl von Varianten abseits der Pisten.

Es ist schön, nicht auf die Schließzeiten der Lifte achten zu müssen, wie wir feststellen, als wir um 16 Uhr in Disentis ankommen. Wir hatten uns viel Zeit genommen, um alle Teile des Gebiets zu erkunden, also nehmen wir den Zug zurück. Wir setzen uns in den Après-Ski-Wagen der Matterhorn Gotthard Bahn. Eine Gruppe von Amerikanern, die nach der Hälfte der Zeit einsteigt, macht dankbar davon Gebrauch; der Spaß geht noch eine halbe Stunde weiter.

Als wir die letzten Kilometer auf einer kurvenreichen Strecke fahren, sehen wir die beleuchtete Skyline von Andermatt. Jede einzelne Kurve. Wow. Von dieser Höhe aus kannst du den Kontrast zwischen dem ursprünglichen kleinen Zentrum und der Retorte Andermatt Swiss Alps deutlich erkennen. In den kommenden Jahren werden die beiden “Andermatt’s” immer näher zusammenwachsen, so wie es die Skigebiete Andermatt und Sedrun getan haben. Und das unter Erhaltung der eigenen Identität, denn das können wir ganz sicher feststellen: Es gibt wenige Orte, in denen ein zuerst völlig Unbekannter als Investor so viel bedeutet und erreicht hat wie hier.

Fakten

  • Das Projekt Andermatt Swiss Alps wurde durch eine Ausnahme von der sogenannten Lex Koller ermöglicht. Dieses Gesetz regelt, dass Ausländer/innen in der Schweiz nicht einfach so Land kaufen dürfen. Die Ausnahmeregelung ermöglicht es internationalen Käufern jedoch, Wohnimmobilien in Andermatt ohne Einschränkungen zu kaufen und zu entwickeln. Auch ein Gesetz, wonach nur 20 Prozent der Häuser ein “Zweitwohnsitz” sein dürfen, gilt in Andermatt nicht.
  • Seit 2008 ist die Einwohnerzahl von Andermatt von 1.200 auf über 1.500 gestiegen, darunter 459 Ausländer.
  • Fußballtrainer Louis van Gaal besitzt eine Luxuswohnung in den Gotthard Residences, einem Teil von Andermatt in den Schweizer Alpen.
  • Der originale Leuchtturm “Het Lage Licht” von Hoek van Holland kann im Maritimen Museum in Rotterdam bewundert werden.

BenB
Ben arbeitet seit über 20 Jahren im Tourismus und ist Spezialist für den Verkauf von Skireisen.
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