Gescheiterte Projekte im Kaunertal (Teil 2)

SarahS am 28 November 2021

Ein Skiwettstreit bei der Verpeilhütte in 1934 (kirchenwirt.com)
Ein Skiwettstreit bei der Verpeilhütte in 1934 (kirchenwirt.com)

Wenn es ein Tal in den Alpen gibt, in dem viele Skigebietsprojekte gescheitert sind, dann ist es das Kaunertal. Teil 2 der Kaunertal-Trilogie befasst sich mit dem Scheitern von nicht weniger als vier Liftprojekten in diesem österreichischen Tal. Im ersten Teil ging es bereits kurz um das Skigebiets-Projekt Verpeil, das im Gegensatz zum Projekt Kaunertaler Gletscher nie realisiert wurde. Anton Hafele war einer der Befürworter dieses Plans, dennoch wurde dieses Projekt, wie einige andere auch, nie in die Tat umgesetzt.

Verpeilhütte in 1959 (kirchenwirt.com)
Verpeilhütte in 1959 (kirchenwirt.com)

Ein neues Dorfskigebiet in Feichten im Kaunertal

Es geht um die Erschließung des Madatschferners über die Verpeilhütte, oberhalb des Dorfes Feichten im Kaunertal. Laut Anton Hafele wäre dies eine absolute Bereicherung für das Tal gewesen. Die optimale Lage mit fast ausschließlich nach Norden ausgerichteten Hängen würde bedeuten, dass es bis weit in den Frühling hinein genügend Schnee gibt, um das Skigebiet offen zu halten. Außerdem wäre das Gebiet rund um die Verpeilhütte mit nur einer Gondel direkt von Feichten aus zu erreichen, wodurch das Skigebiet wesentlich besser erschlossen wäre als der Kaunertaler Gletscher. Mit dem höchsten Punkt auf 3.000 Metern wäre damals die längste Piste der Ostalpen entstanden. Die Piste könnte bis zum Dorf Feichten auf 1275 Metern reichen.

Übersicht über das Skigebiet rund um die Verpeilhütte
Übersicht über das Skigebiet rund um die Verpeilhütte

Der Madatschferner in 1928 (kirchenwirt.com)
Der Madatschferner in 1928 (kirchenwirt.com)

Inzwischen ist die Erschließung des Gebiets längst in Vergessenheit geraten. Heute wird die Verpeilhütte vor allem für ihre vielen Wandermöglichkeiten im Sommer und den vielleicht besten Kaiserschmarrn in ganz Österreich geschätzt. Und der Madatschferner ist mittlerweile bis auf ein paar Eisreste zurückgeschmolzen. Man kann kaum noch von einem Gletscher sprechen.

Das berüchtigte Projekt Weißseespitze

Ein weiteres Projekt ist die Erschließung der Weißseespitze. Schon während des Baus der ersten Skilifte am Kaunertaler Gletscher wurde über eine Liftanlage auf der 3498 Meter hohen Weißseespitze, direkt neben dem bestehenden Skigebiet, spekuliert. Eine Pendelbahn würde ein völlig neues Teilgebiet am Gepatschferner erschließen. Das gigantische Gletscherplateau ist der zweitgrößte Gletscher Österreichs. Nur die Pasterze am Großglockner ist von der Fläche her größer. Mit diesem Einstieg würde sich das Skigebiet wahrscheinlich vom unbeliebtesten Gletscherskigebiet Tirols zum spektakulärsten Gletscherskigebiet ganz Österreichs entwickeln. Gleichzeitig würde die Shuttle-Bahn den Sommertourismus ankurbeln.

Ein Skilift zur mächtigen Weißseespitze war für viele Einwohner jahrzehntelang ein Traum. (kirchenwirt.com)
Ein Skilift zur mächtigen Weißseespitze war für viele Einwohner jahrzehntelang ein Traum. (kirchenwirt.com)

Ein Pistenplan des Skigebiets aus dem ADAC Skiatlas von 1985
Ein Pistenplan des Skigebiets aus dem ADAC Skiatlas von 1985

Seit den 1980er Jahren ist das Projekt auf den Pistenplänen eingezeichnet, realisiert wurde es nie. Obwohl Eugen Larcher, Bürgermeister des Kaunertals von 1968 bis 2004 und Mitbegründer des Gletscherskigebiets, noch immer von einem Lift auf die Weißseespitze träumt, scheint das Projekt heute utopisch. Schon damals wurde die Möglichkeit der Erschließung des Weißsee-Gletschers durch Skilifte heftig kritisiert.
Dennoch wurde das Projekt genehmigt, aber wegen der Neuwahlen 1989 nicht durchgeführt. In den 1980er und 1990er Jahren wurden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, darunter eine Pendelbahn über den etwas tiefer gelegenen Zahn (siehe Pistenplan). Und obwohl das Projekt wegen des Baus der Ochsenalm-Sessellifte auf Eis gelegt wurde, verschwand es nie ganz aus den Köpfen der Eigentümer.

Der enorm ausgestreckte Gepatschferner (FB Kaunertaler Gletscher)
Der enorm ausgestreckte Gepatschferner (FB Kaunertaler Gletscher)

Ein neuer Versuch

In der Folgezeit hatte der Kaunertaler Gletscher mit finanziellen Problemen zu kämpfen, die laut Hubert Larcher zum Teil auf das Scheitern dieses Projekts zurückzuführen waren. Der Umsatz war einfach nicht ausreichend. Das Skigebiet erklärte, dass ein solcher Lift und ein Gletscherzugang für den Herbst und das Frühjahr unerlässlich seien. Jedoch widerspricht die Entscheidung des Skigebiets, in den vergangenen Jahren immer früher im Frühjahr zu schließen, dem oben genannten Grund für die Öffnung des Gepatschferners.
Zu Beginn dieses Jahrhunderts kam das Projekt wieder zur Sprache, als man es in neuem Gewand präsentiert: Eine Pendelbahn mit Kabinen für 150 Personen sollte die Weißseespitze erschließen. Auf dem Gletscher würden dann drei Schlepplifte zwischen ca. 3000m und 3500m Höhe gebaut werden. Ein obligatorischer Notweg bei Problemen mit dem Shuttlezug war über den Hohen Zahn und das Nörderjoch möglich. Außerdem war eine bizarre Skiroute über die noch mit Gletschereis bedeckte Nordwestflanke geplant. Durch das Auftauen der oberen Permafrost-Schicht und des Abschmelzens des Gletschers sind die zuletzt genannten Routen inzwischen undenkbar!

Die Weißseespitze in 2008. Die vergletscherte Nordwest-Flanke ist inzwischen weggeschmolzen...
Die Weißseespitze in 2008. Die vergletscherte Nordwest-Flanke ist inzwischen weggeschmolzen...

Zu viele Schwierigkeiten

Verschiedene Faktoren haben schließlich dazu geführt, dass das fragwürdige Projekt kaum noch zu retten war und inzwischen nicht mehr durchführbar ist. Bei technischen Problemen mit der geplanten Gondel gibt es keine Alternative, um nach unten zu gelangen. Es ist nicht mehr möglich, eine Piste zum bestehenden Gletscherskigebiet zu bauen. Das Auftauen des Permafrostes verursacht bereits viele Probleme, könnte aber auch mit der neuen Pendelbahn problematisch werden. Angesichts dessen, dass sich das Skiliftprojekt zudem mitten in einem Naturschutzgebiet auf einem noch nicht erschlossenen Gletscher und außerhalb der bestehenden Skigebietsgrenzen befindet, gehen die Chancen auf eine positive Beurteilung der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gegen Null. Da der Beurteilungsprozess noch Jahre gedauert hätte, hatten Projekten wie der Bau der Karlesjochbahn höhere Priorität.

Letztendlich zog man den Bau der Karlesjochbahn dem Weißseespitze-Projekt vor.
Letztendlich zog man den Bau der Karlesjochbahn dem Weißseespitze-Projekt vor.

Ein Sessellift auf halber Strecke zur Weißseespitze

Viele Besucher des Kaunertaler Gletschers haben schon von diesem Projekt zur Erschließung der Weißseespitze gehört, weniger bekannt ist dahingegen die Planung eines 2er-Sessellifts an der Westflanke der Weißseespitze.
Es handelt sich um eine kurze Sesselbahn von knapp 400 Metern, die von der Bergstation der Weißsee-Schlepplifte auf dem Falginjoch in südöstlicher Richtung bis auf eine Höhe von etwa 3300 Metern führen sollte. Von dieser Bergstation aus waren zwei schwarze Pisten geplant. Das Projekt war bereits auf der Pistenkarte eingezeichnet, es zeigte sich allerdings schnell, dass auch dieses Projekt keinen Erfolg haben würde. Der Gletscher war an diesen Stellen zu steil und instabil, so dass die Regierung dem Projekt nicht zustimmte.

Der Sessellift an der Westflanke der Weißseespitze war bereits eingezeichnet im Pistenplan, wurde aber nie realisiert.
Der Sessellift an der Westflanke der Weißseespitze war bereits eingezeichnet im Pistenplan, wurde aber nie realisiert.

Im Nachhinein betrachtet ist das auch gut, dass das Projekt nicht realisiert wurde, denn diese Pisten wären heutzutage aufgrund des Gletscherschwundes nicht mehr befahrbar. Außerdem wäre die Lifttrasse viel zu steil und bei starkem Wind möglicherweise ziemlich oft gesperrt.

Liftverbindung aus Italien

Seit 40 Jahren, schon beim Bau des Gletscherskigebietes, besteht ein enger Kontakt zum Südtiroler Langtauferertal. In den 1990er Jahren kam die Idee auf das Tal auch für den Skibetrieb zu erschließen. Nachdem es dann aber erst einmal lange Zeit still um dieses Projekt war, wird nun seit etwa 10 Jahren wieder viel über einen mögliche Verbindung diskutiert. Mit diesem Liftprojekt sollte das kleine Skigebiet Maseben bei Melag, unweit des Reschenpasses, zu neuem Leben erweckt werden. Das Skigebiet ist bereits seit fünf Jahren geschlossen und kämpft schon lange Zeit zuvor mit finanziellen Problemen. Geplant war eine Gondel von Melag mit einer Mittelstation. Die Kosten wurden auf rund 25 Millionen Euro geschätzt.
Allerdings gab es einige Haken an der Sache. Auch wenn ein alter Pistenplan eine gestrichelte schwarze Route nach Melag zeigte, war der erste Abschnitt vom Karlesjoch zu steil für eine präparierte Skipiste. Eine Alternative Piste würde über das Weißseejoch führen. Um diesen Bereich zu erschließen, müsste aber zuerst ein Sklift auf der österreichischen Seite gebaut werden.

In grün gekennzeichnet ist die geplante Gondel zur Grenze zwischen Österreich und Italien am Karlsjoch und in grau die möglichen Pisten (links = Weißseejoch-Option; unter der geplanten Gondel = Karlsjoch-Option). In schwarz die Karlsjochbahn und in rot die geschlossenen Skilifte in Maseben.
In grün gekennzeichnet ist die geplante Gondel zur Grenze zwischen Österreich und Italien am Karlsjoch und in grau die möglichen Pisten (links = Weißseejoch-Option; unter der geplanten Gondel = Karlsjoch-Option). In schwarz die Karlsjochbahn und in rot die geschlossenen Skilifte in Maseben.

Widerstand aus Südtirol

Während die meisten Menschen im Kaunertal von dem Projekt begeistert waren, wurde es in Südtirol mit Misstrauen betrachtet. Neben der Bettenknappheit im Langtauferertal würde die Anbindung an das Kaunertal eine zu große Konkurrenz zu den umliegenden Skigebieten am Reschenpass bedeuten. Andererseits bietet das Projekt Wachstumschancen für die gesamte Region. Für die meisten Skigebiete der Region hatte jedoch die bereits fertiggestellte Verbindung zwischen Haideralm und Schöneben Priorität. Darüber hinaus bieten der Stilfserjochpass, das Schnalstal und Sulden am Ortler, die sich in unmittelbarer Nähe befinden, bereits genügend Möglichkeiten für das Frühjahr und den Herbst.

Melag im Langteuferertal mit dem Kaunertaler Gletscher im Hintergrund.
Melag im Langteuferertal mit dem Kaunertaler Gletscher im Hintergrund.

Ja oder nein?

Nachdem der Gemeinderat von Graun (Curon) im September 2015 mehrheitlich für die Verbindung gestimmt hatte, kam das Projekt Anfang 2016 plötzlich wieder in Schwung, und es schien in großen Schritten voranzugehen. Im Februar desselben Jahres wird die “Oberländer Gletscherbahnen AG” gegründet und es wurden Investoren gesucht. Die Sache entwickelte sich sogar so schnell, dass ein Plan vorlag, der vorsah die Gondel bis Oktober 2017 fertigzustellen. Mit der Erstellung der Machbarkeitsstudie und der Einholung der erforderlichen Genehmigungen wurde sofort begonnen.
Zunächst lehnte der Umweltbeirat das Projekt ab, und Ende 2017 wurde auch klar, dass der Plan auch von der Regierung nicht unterstützt wurde. Die Oberländer Gletscherbahnen AG stellte daraufhin einen Antrag auf Aufhebung der Entscheidung. Mit Erfolg. Im März 2018 wurde die Entscheidung tatsächlich widerrufen, so dass alle Pläne wieder offen waren.
Inzwischen unterstützt der Bürgermeister von Graun aber das Projekt nicht mehr. Diesen Sommer erklärte er, dass er mit dem Liftverbindung keine neuen Gäste aus dem Kaunertal erwartet. Außerdem ist er überzeugt, dass ein neuer Wahlgang keine Mehrheit bringen würde. Er sieht mehr Chancen in Alternativen wie dem Angebot von Langlauf- und Tourenskimöglichkeiten. Vor kurzem hat sich auch das nahe gelegene Skigebiet Schöneben gegen das Projekt ausgesprochen. In diesem Artikel distanzieren sie sich von dem Projekt, das ihrer Meinung nach große Risiken für die umliegenden Skigebiete birgt. Der örtliche Tourismusverband ist jedoch nach wie vor der Ansicht, dass die Verbindung ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der lokalen Wirtschaft sein könnte.

Zurück zum Anfang

Auch wenn das Projekt noch nicht ganz vom Tisch ist, sieht es nicht so aus, als würde in nächster Zeit eine Schaufel den Boden berühren. Ganz zu schweigen davon, dass eines der anderen Projekte noch irgendeine Chance hat, doch noch erfolgreich realisiert zu werden. In 40 Jahren wurde viel geplant, noch mehr diskutiert, aber der Kaunertaler Gletscher ist immer noch das kleinste der Tiroler Gletscherskigebiete. Im dritten und letzten Teil über das Kaunertal geht es schließlich um die neue 100-Personen-Bahn am Kaunertaler Gletscher, das erste große (und bereits fertiggestellte) Liftprojekt seit 11 Jahren!

Quellen: kaunertaler-zeitzeugen.at, kaunertaler-gletscher.at, kirchenwirt.com, tt.com, rundschau.at, dervinschger.it, salto.bz

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SarahS
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