Kunstschnee

Skiurlaub im Winterwunderland mit frischem Pulverschnee so weit das Auge reicht! Aber was, wenn der Schnee auf sich warten lässt? Damit die Saison nicht im wahrsten Sinne des Wortes ins Wasser fällt, wird Kunstschnee produziert. Dank moderner Technologie ist das schon eine Weile lang möglich. Der Kunstschnee wird in Fachkreisen auch gerne technischer Schnee genannt, weil im Sprachgebrauch aber fast immer über Kunstschnee gesprochen wird, bleiben wir bei diesem Begriff. Ursprünglich als Ergänzung zum natürlichen Schnee gedacht, ist die Produktion von Kunstschnee mit speziell dafür errichteten Beschneiungsanlagen nicht mehr aus dem heutigen Wintersport wegzudenken. Neben einer gewissen Schneesicherheit macht die Kunstschneeproduktion nämlich auch eine frühere Saisoneröffnung der Skigebiete möglich. Die paar Zentimeter, die es noch braucht, um öffnen zu können werden dann einfach mit Kunstschnee überbrückt. Auch Großveranstaltungen, wie die Olympischen Winterspiele, sind stark von der Schneehöhe abhängig. Schnee auf Bestellung ist in solchen Fällen also die Rettung in Not.

Die Geschichte des Kunstschnees

Die Geschichte der Kunstschnee-Produktion beginnt Ende der 1940er Jahre. Ein Gartenbauer aus Kalifornien soll zufällig entdeckt haben, dass ein Wassersprinkler bei kalten Temperaturen Schnee produzieren kann. Die Sprinkler waren damals aber nicht zum Zwecke des Wintersports in Betrieb, sondern das versprühte Wasser sollte Pflanzen vor Frost schützen. Auch im Zuge der Flugzeugforschung gab es Ende der 1940er Jahre ähnliche Beobachtungen. Amerikanische Forscher sprühten bei niedrigen Temperaturen Wasser in einen Windkanal, um die Vereisung von Düsentriebwerken zu untersuchen und erzeugten dabei unerwartet den ersten Kunstschnee. Es vergingen jedoch noch einige Jahre, bis der nette Nebeneffekt zum Zwecke des Wintersports tatsächlich genutzt wurde. Erst 1961 meldete der Amerikaner Alden Hanson erfolgreich Patent für seine Propellerschneekanone an und wenige Jahre später folgte Herman K. Dupré mit der Entwicklung einer kompletten Beschneiungsanlage mit Lanzensystem. Erstmals zum Einsatz kamen Schneekanonen dann 1963 in einem kleinen Skigebiet bei New York. In Europa war es Flaine (Frankreich), das 1973 die ersten Schneekanonen installierte. Den großen Durchbruch erlangte das Prinzip der Kunstschneeproduktion schließlich in den achtziger Jahren. Der Markt für Schneekanonen boomte regelrecht, denn gerade in dieser Zeit gab es einige schneearme Winter in Folge. Schon damals zeigte sich deutlich, dass der Schneemangel zu drastischen Gewinneinbußen führte und dass Kunstschnee die nötige Abhilfe schafft. Heutzutage ist es eher eine Ausnahme, wenn in einem Skigebiet keine Beschneiungsanlagen zu finden sind. Selbst an den höchsten Pisten stehen die Schneekanonen bereit. Die Anlagen sind, abhängig vom Skigebiet und der natürlichen Schneeereignisse, mal häufiger und mal weniger in Verwendung, aber sie bleiben nie einen ganzen Winter lang in Betrieb. Die künstliche Beschneiung kostet die Skigebiete schließlich auch einiges an Geld. Man rechnet in etwa 3 Milliarden Euro pro Saison. Bei einer Schneearmen Saison geht der Betrag auch schnell weiter in die Höhe. Kosten und Nutzen müssen von den Skigebieten gut abgewogen werden.

null

Die Herstellung von Kunstschnee

Bei der Herstellung von Kunstschnee werden Wassertröpfchen unter hohem Druck gefroren und es bilden sich kleine Schneekristalle. Weil der Prozess bei der Kunstschneeerzeugung der natürlichen Entstehung von Schnee gleicht, wird in Fachkreisen nicht von künstlichem, sondern von technischem Schnee gesprochen. Denn der eher umgangssprachlich verwendete Begriff Kunstschnee erweckt oft den Eindruck, der produzierte Schnee enthalte Zusatzstoffe oder Hilfsmittel. Das ist aber in der Regel nicht der Fall. Die besten Bedingungen für die Herstellung von Kunstschnee sind Temperaturen unter -3° Celsius, wenig Wind und eine geringe Luftfeuchtigkeit. Da die Schneekristalle so klein sind, würde bei zu starkem Wind zu viel Kunstschnee weggeweht werden. Dies macht eine künstliche Beschneiung bei starkem Wind oder Stürmen fast unmöglich. Auch bei bewölktem Wetter kann die Erzeugung von Kunstschnee schwierig werden. Die feuchte Luft kühlt die Wassertröpfchen dann nämlich nicht ausreichend ab. Es gibt deshalb auch verschieden Lösungsansätze, die Wetterlagen und Gegebenheiten im Skigebiet optimal nutzen zu können. Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten Kunstschnee zu erzeugen: Mittels Schneekanone, Schneelanze oder Snowmaker. Wie es funktioniert und was die Unterschiede sind erfährst du im Folgenden:

Wie funktioniert eine Schneekanone?

Schneekanonen zerstäuben Wasser mithilfe von Druckluft. Diese winzigen Tröpfchen müssen gefrieren, bevor sie auf dem Boden auftreffen, ansonsten bildet sich einfach eine vereiste Fläche auf der Piste oder, noch schlimmer, es bleibt Wasser. Damit das nicht passiert, muss die Außentemperatur stimmen. Ein Vorteil hierbei ist der hohe Druck, bei dem das Wasser zu Tröpfchen zerstäubt wird, denn dieser bewirkt eine zusätzliche Abkühlung der Tröpfchen. Somit gefrieren sie schneller zu kleinen Schneekristallen. Wird komprimierte Luft versprüht, dehnt sie sich schlagartig aus. Dabei kühlt das Luft-Wasser-Gemisch ab, so dass die Wassertröpfchen gefrieren. Das ist das gleiche Prinzip wie bei einer Deoflasche die kalt wird, wenn du sie benutzt. Schneekanonen funktionieren demnach nur effizient, wenn es kälter als -2,5°Celsius ist. Das Problem bei solchen Beschneiungsanlagen ist, dass oft zu Beginn der Saison das Wasser aus den Reservoirs noch zu warm ist. Als Lösung für dieses Problem pumpen die Skigebiete Umgebungsluft in die Wasserspeicher. Vielleicht hast du selbst schon einmal solch einen blubbernder Speichersee beobachtet. Durch die Belüftung und Umwälzung kühlt das Wasser schneller ab und, was ebenso wichtig ist, die Temperatur des gesamten Reservoirs wird später in der Saison gleichmäßiger.

null

Wie funktioniert eine Schneelanze?

Heutzutage sieht man aber auch immer mehr Beschneiungsanlagen, die “nur” aus einem langen Rohr bestehen; die sogenannte Schneelanze. Diese Schneelanzen werden ebenfalls zum Versprühen von Wasser mit Hilfe von Druckluft verwendet. Hier ist es ab er nicht die Kanone selbst, die den Luftstrom erzeugt. Diese Art von Beschneiungsanlagen funktioniert über einen zentralen Kompressor, der die Druckluft bereitstellt. Solche Schneelanzen sind etwa zweieinhalb Meter hoch, so wird sichergestellt, dass das Wasser wirklich in kleine Tröpfchen zerstäubt wird. Bei extrem niedriger Luftfeuchtigkeit (unter 30 Prozent) können diese Beschneiungsanlagen sogar bei Temperaturen über 0° Schnee erzeugen (max. 1-2°), aber natürlich wird das dann kein perfekter Pulverschnee.

Wie funktioniert ein Snowmaker?

Der Snowmaker pumpt Wasser in eine Vakuumkammer, woraufhin ein kleiner Teil davon verdampft, während das restliche Wasser zu einem Wasser-Schnee-Gemisch gefriert. Wenn im Eiskonzentrator das Wasser vom Schnee getrennt wird, bleiben die Schneekristalle übrig. Diese werden dann aus der Maschine herausgesprüht. Die Vakuumverdampfung verbraucht weniger Energie als andere Beschneiungsanlagen und es werden keine Chemikalien benötigt. Außerdem funktioniert das System, im Gegensatz zu den anderen Beschneiungsanlagen, auch unabhängig der Außentemperaturen. Der erste Snowmaker mit Vakuumtechnologie, hergestellt von IDE Technologies, gilt seit langem als Innovation mit enormem potential. So stehen auch in Zermatt oder am Pitztaler Gletscher Snowmaker von IDE Technologies. Mittlerweile haben aber auch andere Hersteller von Beschneiungsanlagen ihre eigene Version des Snowmakers auf den Markt gebracht. Dabei ist beispielsweise kommt statt der Vakuumtechnik dann ein Wärmetauscher zum Einsatz. Das Prinzip bleibt aber gleich: ein klimaunabhängiger Schneeerzeuger, der auch bei wärmeren Temperaturen Einsatzbereit ist. Dennoch ist das System eine kostspielige Angelegenheit und damit kein direkter Ersatz für Schneekanonen oder Schneelanzen.

Warum gefriert das Wasser nicht schon in der Schneekanone?

Das Wasser wirklich in Form von Pulverschnee aus den Schneekanonen herauszubekommen ist eine knifflige Aufgabe. Denn um guten Schnee zu erhalten, muss das Wasser so kalt wie möglich sein, darf aber gleichzeitig nicht schon in der Leitung gefrieren. Zum Glück ist die Lösung simpel: Das Wasserleitungssystem ist einerseits in frostsicherer Tiefe verlegt und andererseits wird das Wasser während des Betriebs mit hohem Druck durch die Leitungen gepumpt, sodass es kaum gefrieren kann. Wenn die Schneekanonen wieder abgeschaltet werden, wird das restliche Wasser durch sogenannte Entleerventile wieder zurück in die Unterirdischen Leitungen gelassen, sodass es nicht in den oberirdischen Rohren gefriert. So besteht also kaum die Gefahr, dass das unter Druck stehende Wasser so tief in der Erde einfach so in der Leitung gefriert. Nur bei extrem kalten Temperaturen könnten dies ein Problem darstellen. Hierfür gibt es noch die Möglichkeit Rohrteile und Leitungen zu beheizen. In den Alpen ist das aber in der Regel nicht notwendig und kommt auch nur selten vor.

null

Probleme bei der Kunstschneeproduktion

Warum sind Schneekanonen nicht dauerhaft an? Dabei spielen vor allem die Aspekte Temperatur und Finanzen eine große Rolle. Eines der größten Probleme bei der Herstellung von Kunstschnee ist aber auch, genügend Wasser zur Verfügung zu haben. Es ist also eine nicht ganz so einfache Frage für die Skigebiete, wie und wo sie genügend Wasser speichern können. Für viele kleine Skigebiete ist es das größte Problem, genügend Wasser für die Beschneiung zu finden, besonders bei langanhaltender Trockenheit. Und der Bau eines Wasserreservoirs ist eine teure Angelegenheit.

Bakterien und Mineralien in Kunstschnee

Der Glaube, dass bei der Produktion von Kunstschnee auch künstliche Zusatzstoffe wie Mineralien oder Bakterien zum Einsatz kommen, ist weit verbreitet. Das ist nicht zuletzt auch auf den Begriff „Kunstschnee“ selbst zurückzuführen. Normalerweise ist das aber nicht der Fall. Um Missverständnisse zu vermeiden, spricht man bei aus reinem Wasser hergestelltem Schnee von technischem Schnee. In der Tat gibt es aber Bakterien, die Wasser leichter gefrieren lassen. Bei der Methode „Snowmax“ wird ein Protein („Eisnukleations-Protein“) verwendet, das aus abgetöteten und gefriergetrockneten Bakterien (Pseudomonas syringae) extrahiert wird. Dieser natürliche Zusatz lässt Wasser bereits bei 5 Grad Celsius zu schneeähnlichem Pulver werden. Ab minus drei Grad Celsius entsteht dann pulvriger Schnee. Während der Zusatz in den USA häufiger Verwendung findet und auch in einigen Schweizer Skigebieten zum Einsatz kommt, herrscht in Tirol seit 2018 ein gesetzliches Verbot. Obwohl das Mittel umwelt- und gesundheitstechnisch unbedenklich ist, gehen die Meinungen dazu weit auseinander. In Frankreich hingegen verzichtet man indes komplett auf chemische oder bakterielle Zusätze für die Produktion von Kunstschnee, sie finden in keinem Skigebiet Verwendung.

Kunstschnee versus Naturschnee

Jeder Wintersportler weiß, dass sich Kunstschnee unter den Skiern ganz anders anfühlt als Naturschnee. Grund dafür ist seine Struktur, denn künstliche Schneekristalle sind viel kleiner als das „Original“. Während Naturschnee große sternförmige Kristalle bildet (die klassische Schneeflocke mit sechs Armen), sind Kunstschneekristalle rund und kugelig, ohne Arme. Die Kunstschneekristalle gleichen optisch also eher einer zertrümmerte Schneeflocken aus. Erst nach einigen Wochen mit Temperaturschwankungen beginnt der Kunstschnee, dem natürlichen Schnee zu ähneln. Aber von Anfang an ist der Kunstschnee viermal kompakter als Naturschnee. Ein Vorteil für die Skigebiete ist daher, dass Kunstschnee so länger erhalten bleibt als Naturschnee. Kunstschnee kommt auch viel besser mit Temperaturschwankungen zurecht. Die Kunstschneekristalle nutzen sich auch beim Aufprall von Skifahrern oder beim Präparieren der Pisten durch die Pistenbullys nicht so stark ab. Das liegt daran, dass diese Kristalle keine “Arme” haben und nicht sternförmig sind, sie haben also weniger Angriffsfläche wie natürlicher Schnee.

Schneekanonen sind nicht immer die Lösung

Am Anfang schienen Schneekanonen die Lösung zu sein, zumal viele Trockenperioden in den Alpen auch sehr kalt waren. Allerdings sind die Vor- und Nachsaison vor allem in den letzten Jahren tendenziell wärmer geworden. Das erschwert die Produktion von Kunstschnee zunehmend und die Skigebiete können trotz Beschneiungsanlagen nicht ausreichend Schnee produzieren, um die Pisten fahrtauglich zu präparieren. Die Saisoneröffnung muss warten. Auch in föhnreichen Skigebieten kann es problematisch werden, ist es zu warm kann kein Kunstschnee erzeugt werden. So ganz unabhängig von Mutter Natur sind wir also doch nicht und Schneekanonen sind nicht immer die Lösung. Um doch eine gewisse Schneesicherheit zu bieten, betreiben einige Skigebiete Snowfarming. Dabei werde große Schneedepots angelegt, in welchen Schnee für die nächste Saison gespeichert wird. Die Lagerung von Neuschnee in diesen Schneedepots ist jedoch nicht möglich.

Snowfarming in Kitzbühel; Abdecken des Schnees mit Isoliermaterial (Quelle: [kitzbuehel.com)](https://www.kitzbuehel.com/schnee-von-gestern-unglaublich-aber-wahr/)
Snowfarming in Kitzbühel; Abdecken des Schnees mit Isoliermaterial (Quelle: kitzbuehel.com)

Die Sache mit der Nachhaltigkeit

Kunstschnee hat nicht nur Vorteile, in Sachen Nachhaltigkeit kommt die Schattenseite zum Vorschein. Die Herstellung von Kunstschnee verbraucht sowohl einiges an Wasser als auch an Energie. Außerdem wird Kunstschnee früher auf die Pisten gebracht und dort bleibt er auch länger als natürlicher Schnee. Das bedeutet, dass die Wintersaison viel länger dauert, als es eigentlich der Fall wäre, wenn die Natur ihren Lauf nehmen würde. Es stört die Flora und Fauna. Zum Glück wird kontinuierlich daran gearbeitet die Effizienz der Beschneiungstechnologien zu maximieren und die Kosten für die Natur zu senken. Durch die nachhaltige Pistenpräparierung mittels GPS-gesteuertem Pistenbully muss zum Beispiel weniger Kunstschnee produziert werden. Und es wurde bereits mit anderen Möglichkeiten der Beschneiung experimentiert, die weniger Energie und Wasser benötigen, wie z. B. die Kunstwolke in Obergurgl.