Was ist Snowfarming?

SarahS am 15 Oktober 2022

Schneedepot in Ruka, Finnland (Quelle: FB Ruka Skiresort)
Schneedepot in Ruka, Finnland (Quelle: FB Ruka Skiresort)

Verspätete Saisoneröffnungen, weniger geöffnete Pisten und ein paar Jahre in Folge grüne Weihnacht in den Alpen. Es ist nichts Neues, dass Skigebiete eine schwierige Zeit haben, wenn Frau Holle sie im Stich lässt. Seit ein paar Jahren aber gibt es das Zauberwort “Snowfarming”. Dieses Phänomen wird den Wintersport verändern. Bereits jetzt ist die Veränderung in vollem Gang, denn Snowfarming ist eine große Chance den Wintersport umweltfreundlicher und nachhaltiger zu gestalten.

Bereits einige Jahre in Folge eröffnet Kitzbühel seine Skisaison im Oktober, Wochen bevor der erste Naturschnee gefallen ist. Es scheint zu schön, um wahr zu sein. Dass es dort bereits im Oktober möglich ist Ski zu fahren, ist vor allem der Tatsache zu verdanken, dass ein Teil des Schnees aus der vergangenen Saison aufbewahrt wird. Damit ist Kitzbühel aber keineswegs das einzige Skigebiet, das Snowfarming betreibt. Der Ski-Weltcup in Sölden anfang Oktober findet größtenteils auf dem Schneed er letzten Saison statt und auch im finnischen Ruka wird der erhaltene Schnee wieder neu präpariert, sodass die Lifte schon Anfang Oktober den Betrieb aufnehmen können. Und viele weitere Skigebiete folgen dem Trend bereits. So findest du selbst auf den Langlaufloipen in Seefeld und Ramsau am Dachstein den Schnee vom letzten Jahr. Ist Snowfarming die Technologie der Zukunft?

Wird Snowfarming den Wintersport nachhaltig verändern?

Snowfarming revolutioniert ohne Zweifel das Prinzip der Schneekonservierung, aber wird es auch den Wintersport nachhaltig verändern? Bereits vor hunderten von Jahren, im Zeitalter der Antike, nutze man Altschnee und Eis für den Bau von Eiskellern, um darin Lebensmittel im Sommer länger aufbewahren zu können. Das gleiche Prinzip wird nun für den Wintersport genutzt, indem der Schnee des letzten Jahres auf den Pisten wiederverwendet wird. Seinen Ursprung findet das Snowfarming in Skandinavien, genauer gesagt in Finnland. Der Altschnee wird im Frühjahr zu einem großen Haufen zusammengetragen, welcher dann mit Isoliermaterial abgedeckt wird. Dies kann Kunststoff (eine Art Styropor), aber auch Sägemehl oder Holzspäne sein. Am Ende wird alles noch mit weißer, reflektierender Folie abgedeckt. Diese Materialien schützen den Schnee im Sommer vor Wärme und Sonne, aber auch vor Wind und Regen. Umfangreiche Untersuchungen des Schweizer Instituts für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos haben bereits vor Jahren gezeigt, dass 70 bis 80 Prozent des Schnees erhalten werden kann. Prozentsätze, die jetzt auch in der Praxis bestätigt werden können. Je größer der Schneehaufen, desto größer ist der Selbstkühlungseffekt und umso weniger schmilzt (relativ gesehen) über den Sommer weg.

Abgedeckt mit Isolationsmaterial wird der Schnee für die nächste Saison aufbewahrt (Quelle: kitzbuehel.com)
Abgedeckt mit Isolationsmaterial wird der Schnee für die nächste Saison aufbewahrt (Quelle: kitzbuehel.com)

Früher in die Skisaison starten

Dass die Skisaison mit Hilfe von Schneekanonen schon viel früher eröffnet werden kann, ist bekannt. Gleiches gilt auch für das Snowfarming: Auch wenn noch gar kein Schnee liegt, kannst du bereits frisch präparierte Pisten hinunterfahren! Ein großer Vorteil gegenüber der konventionellen Schneeproduktion mittels Schneekanonen ist auch, dass die Temperatur keine so große Rolle spielt. Eine Schneekanone kann nur Schnee erzeugen, wenn es friert. Beim Snowfarming hingegen ist der Schnee schon (oder besser gesagt noch) da. Der alte Schnee kann quasi jederzeit ausgefahren und unabhängig von der Temperatur auf dem Hang verteilt werden. Altschnee ist sehr kompakt und unterscheidet sich daher stark vom neuen, diesjährigen Schnee. Die hohe Dichte des Schnees ensteht vor allem im Zuge der Lagerung. Der Schnee wird zusammengepresst und verdichtet in einem Depot gelagert, um ein starkes wegschmelzen zu verhindern. So kann selbst ein warmer Sommer nicht viel ausrichten. Im Schnitt schmilzt nur einen kleiner Teil (20 bis 30 Prozent) des eingelagerten Schnees, der Rest wird lediglich noch kompakter. Dieser verdichtete Schnee ist außerdem, wenn er auf den Pisten verteilt und präpariert wurde, viel widerstandsfähiger gegen Wettereinflüsse als luftiger Neuschnee.

So ein Schneedepot sieht im Vergleich zu einem Skigebiet ziemlich klein aus, aber die Kapazität ist viel größer als es auf den ersten Blick scheint. Das 20.000 m3 große Depot auf der Resterhöhe in Kitzbühel beispielsweise reicht aus, um eine Piste mit einer Breite von 50 Metern über eine Länge von 1 Kilometer mit 50 cm Schnee abzudecken! Wenn also gleich mehrere Schneedepots in einem Skigebiet angelegt werden, kannst du dir vorstellen, dass schnell einen großen Teil der Pisten abgedeckt werden kann. Und all das, ohne dass Frost oder eine einzige Schneeflocke Naturschnee im Spiel sind!

Mit dem relativ kleinen Schneedepot auf der Resterhöhe kann ein großer Pistenabschnitt abgedeckt werden! (Quelle: Zukunft-Skisport
Mit dem relativ kleinen Schneedepot auf der Resterhöhe kann ein großer Pistenabschnitt abgedeckt werden! (Quelle: Zukunft-Skisport

Mehr Skitage durch Snowfarming

In den Gebieten, in denen Snowfarming betrieben wird, hat sich die Anzahl der Skitage einer Saison deutlich erhöht. Ruka verspricht eine Saison mit mehr als 200 Skitagen, die längste Skisaison aller finnischen Skigebiete. Auch Kitzbühel strebt nun 200 Tage an. Bisher blieb solch eine lange Saison nur Gletscherskigebieten vorenthalten. Zum Vergleich: Bis Mitte der 2000er Jahre hatte Kitzbühel durchschnittlich 140 Skitage. Mittels Snowfarming konnte die Saison aber um fast zwei Monate verlängert werden. Gerade das frühzeitige Öffnen des Skibetriebs ist äußerst lukrativ für die Skigebiete, denn die größten Gewinne werden in der Vorsaison erzielt. Der Oktober ist sozusagen das neue Dezember-Geschäft, und das obwohl in der Regel nur ein überschaubarer Teil der Pisten geöffnet ist. Großartig für Wettbewerbsteams, die früh trainieren können und für Freizeitskifahrer, die nicht bis Dezember warten wollen. Das alles steht natürlich in starkem Gegensatz zu den Problemen, mit denen einige Skigebiete in den vergangenen Jahren immer wieder zu kämpfen hatten. Durch warme Temperaturen und Schneemangel kam es hin und wieder vor, dass der Skibetrieb erst sehr spät starten konnte.

Kein Ersatz für Kunstschnee

Man könnte meinen, dass die Produktion von Kunstschnee (technischen Schnee) durch Snowfarming irgendwann überflüssig wird. Schließlich garantieren Schneekanonen nicht immer einen frühen Saisonstart (denn dafür braucht es Frost), während Snowfarming das sehr wohl tut. Und obendrein spart es auch Stromkosten. Aber leider reicht Snowfarming allein nicht aus. Kunstschnee wird immer noch benötigt. Es ist ein weit verbreitetes Missverständnis, dass Schneekanonen nur in Betrieb sind, wenn zu wenig Naturschnee vorhanden ist. Dadurch, dass die Lifte schneller und die Kapazitäten der Skigebiete größer sind als je zuvor, werden die Pisten in der Hochsaison viel stärker von Skifahrern und Snowboardern beansprucht, so dass trotzdem immer wieder kompakter Kunstschnee gebraucht wird.
Schneekanonen können also sogar eine Schlüsselrolle für den Erfolg des Snowfarmings spielen, denn auch der Kunstschnee kann in Depots für die nächste Saison aufbewahrt werden. In der Praxis sind viele Pisten nämlich auch zu einem großen Teil aus (kompaktem) Kunstschnee, der für Snowfarming perfekt geeignet ist. Das Schneedepot in Kitzbühel besteht ungefähr zu 80% aus Kunstschnee, nur circa 20% ist “normaler” Naturschnee. Kälteeinbrüche werden so optimal genutzt und die Schneekanonen laufen auf Hochtouren, um ein Schneedepot für die nächste Saison anzulegen. Viele Skigebiete nutzen diese Technik, denn Schnee, der schon da ist, muss schon nicht mehr produziert werden.

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Gebiete mit Snowfarming:

Wo findet Snowfarming außerdem Verwendung?

Snowfarming wird aber nicht nur genutzt, um die Skisaison so früh wie möglich zu beginnen, mittlerweile findet diese Technik auch in vielen anderen Bereichen (auch über den Wintersport hinaus) Verwendung. In Sölden dient das Snowfarming beispielsweise auch, um die FIS Weltcup-Eröffnung der alpinen Skisaison zu garantieren. Letztendlich kann das Snowfarming aber auch dazu beitragen, Gletscherskigebiete am Leben zu erhalten. Auch auf den Gletschern selbst wird zunehmend Schnee gespeichert. Es kann den Gletscher zwar nicht vollständig vor dem Schmelzen schützen, aber den Schmelzprozess deutlich verlangsamen. Wir werden also definitiv in den kommenden Jahren noch mehr von Snowfarming und den zahlreichen Anwendungsbereichen hören. Der Schnee ist da und das Abdeckmaterial ist relativ günstig. Ideale Vorraussetzungen um den Start der Saison relativ einfach vorzuverlegen und die Skisaison zu verlängern. Dennoch bringt es für die Skigebiete auch einen gewissen Aufwand mit sich. Zusätzliches Personal und etliche Pistenbully-Stunden die als zusätzliche Kosten den Einnahmen gegenübergestellt werden müssen. Auf der anderen Seite bringt es natürlich eine wichtige PR-Komponente für Skigebiete. Nach der langen (gefühlt ewigen) Sommerpause, endlich wieder Ski fahren und bei noch sommerlichen Temperaturen und Sonnenschein auf einer Terasse den Skitag ausklingen lassen. Klingt verlockend oder?

SarahS
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