Aussterbende Skiliftart: Der Einer Sessellift

BenB am 05 März 2024

Der Rossleitenlift in Kampenwand, Bayern
Der Rossleitenlift in Kampenwand, Bayern

Der Einsitzer-Sessellift ist eine vom Aussterben bedrohte Liftart. Jahr für Jahr werden die Lifte durch Gondeln ersetzt oder sogar stillgelegt und abgebaut, ohne dass es einen Ersatzlift gibt. Schade, denn eine Fahrt mit ihm ist pure Ski-Nostalgie.

Entspannend

Einsessellifte verleihen einem Skigebiet Charme und machen eine Fahrt zu etwas Besonderem. Schaukelnd, manchmal mit den Skiern auf dem Schoß, schwebst du auf dünnen Metallröhren durch den verschneiten Wald. Es geht langsam, sehr langsam. Du fährst an einer Liftmast vorbei und tanzt rhythmisch auf den Seilrollen auf und ab. Ganz allein und ohne Unterhaltung. Oben angekommen, überwiegt das Gefühl der puren Entspannung. Wie ein alter Schlepplift ist auch ein Einsitzer-Sessellift ein Schritt zurück in die Vergangenheit. Aber vielleicht gehört er bald wirklich der Vergangenheit an.

Altes Eisen oder Museumsstück?

Obwohl Retro-Fans die langsamen Einsitzer zu schätzen wissen, glauben viele Wintersportler, dass diese Art von Liften reif für den Schrotthaufen sind. Je weniger, desto besser. Aber mit dem langsamen Verschwinden der Lifte geht auch ein Stück Skigeschichte verloren. Es wird immer schwieriger, die veralteten Lifte zu warten. Genehmigungen laufen ab und Renovierungen sind ohne externe Ressourcen einfach zu teuer. Manchmal sind auch keine Ersatzteile mehr erhältlich, so dass die Stilllegung unausweichlich ist. Das Ende des Einsitzers scheint also unmittelbar bevorzustehen. Es bedeutet auch das Ende einer Ära.

Back to the roots

Im kompakten Skigebiet Sun Valley in Idaho, USA, wurde im Herbst 1936 der erste Sessellift der Welt mit Förderbandtechnik betrieben. In Europa war es nicht eines der Alpenländer, sondern die Tschechische Republik, die den ersten Sessellift eröffnete. In der Stadt Pustevny in den Beskiden wurde am 4. März 1940 ein Sessellift eingeweiht. Während des Zweiten Weltkriegs geriet der Ausbau dieser Lifte ins Stocken, so dass der erste Sessellift der Alpen, natürlich auch ein Einsitzer, erst im Juli 1944 am Jochpass bei Engelberg (CH) eröffnet wurde.

Nach dem Krieg schossen die Lifte wie Pilze aus dem Boden. Der Bau dieser revolutionären Skilifte löste eine Welle der Skibegeisterung aus und der Sport erreichte einen neuen Höhepunkt. Noch vor den 1950er Jahren wurden Dutzende von Sesselliften in den Alpen gebaut, zum Beispiel in Skigebieten wie Corvara, Seefeld, Westendorf, Hochsölden, Kitzbühel, Wagrain und San Martino di Castrozza. Es waren Sessellifte mit Sitzen für nur eine Person. Die Idee von größeren Sesselliften gab es bereits, wurde aber oft noch als zu riskant angesehen. Trotzdem wurden im gleichen Zeitraum langsam aber sicher mehr Zweisitzer-Sessellifte gebaut. Trotz der steigenden Beliebtheit der anderen Lifttypen wurden bis weit in die 1980er Jahre hinein weiterhin Einersessellifte gebaut.

Nachdem die Beliebtheit der Einersesselbahnen ihren Höhepunkt erreicht hatte, ging es bald wieder bergab. Der Verdrängungswettbewerb zwischen den Skigebieten führte dazu, dass jedes Gebiet so schnell wie möglich modernisieren wollte. Mit dem Aufkommen von schnelleren und leistungsfähigeren Sesselliften und Gondeln verschwand der Lifttyp langsam aber sicher von der Skiszene. Die Museumsstücke tauchten in den Plänen nicht mehr auf und wurden Stück für Stück ersetzt.

Wo trifft man sie noch an?

Einige Skigebiete sind hart im Nehmen und halten immer noch am Charme des Einsitzers fest. Über hundert sind weltweit noch im Einsatz, aber während der Wintersaison in den Alpen wird es immer schwieriger einen zu finden. Du musst schon ein bisschen Detektivarbeit leisten, wenn du auf einen stoßen willst. Überraschenderweise muss man gar nicht weit fahren, denn in einigen bayerischen Skigebieten hat man noch gute Chancen, ihnen zu begegnen. In den drei deutschen Skigebieten Sudelfeld, Kranzberg-Mittenwald und Kampenwand gibt es einen. Im letztgenannten Skigebiet wähnst du dich ohnehin in einem Freilichtmuseum, mit gemütlichen Hütten und einem bunten Mix aus Oldtimer-Liften.

In Österreich war nach der Schließung der Polster Classic Sesselbahn in Präbichl im Jahr 2016 im Grunde das Ende der Winter-Einzelsesselbahnen gekommen. Eigentlich, denn eine Spendenaktion sorgte dafür, dass das nötige Geld für eine komplette Renovierung des legendären Lifts zur Verfügung stand. Der restaurierte Einsitzer ist wieder geöffnet, als einziger Einsitzer-Sessellift in Österreich für das Ski- und Snowboardpublikum. Neben diesen “Vorzeigeobjekten” in Deutschland und Österreich gibt es noch einen weiteren in Italien, am Monte Moro in Frabosa Soprana, der Teil des weitläufigen Mondolè Skiim Piemont ist, sowie in den slowenischen Skigebieten Krvavec und Vogel. Außerhalb Europas gibt es noch viele, vor allem in Japan. Ein Paradebeispiel für ein Nostalgie-Skigebiet in den Vereinigten Staaten ist Mad River Glen in Vermont. Vor vierzehn Jahren musste der Lift hier umfassend repariert werden, so dass ein Ersatz in Betracht gezogen wurde. Am Ende entschied man sich für die teurere Variante: eine umfassende Sanierung des Einsitzers.

Rossleitenlift, Kampenwand (D)
Rossleitenlift, Kampenwand (D)

Nostalgie als Einnahmequelle

Im Sommer gibt es in den Alpen noch etwas mehr Einersesselbahnen. Der Kaiserlift in Kufstein ist ein gutes Beispiel dafür. Das einst beliebte Skigebiet am Fuße des Wilden Kaisers bot lange Zeit einen Oldtimer, aber auch hier war der Lift irgendwann nicht mehr zu retten. Dennoch blieb es bei der Geschichte und der Kaiserlift wurde vor einigen Jahren einer kompletten Verwandlung unterzogen. Der Sessellift wurde nicht ersetzt, sondern gründlich renoviert. Die Erneuerung des Lifts zahlt sich jetzt aus. Der Lift ist ein idealer Ausgangspunkt für viele Wanderungen im Kaisergebirge.

In den Sommermonaten sind auch in anderen Gebieten Einersessellifte in Betrieb. Eine Autostunde vom Kaiserlift in Kufstein entfernt, auf der bayerischen Seite des grenzüberschreitenden Skigebiets Winklmoosalm - Steinplatte, befindet sich die ‘Nostalgiebahn’. In einer urigen Landschaft schwebst du hier hinauf zum 1.610m hohen Dürrnbacheck. Die Fahrt dauert satte 20 Minuten. Nach einer erzwungenen Schließung im Winter wurde der alte Sessellift ganz auf die Sommersaison ausgelegt. Der Eigentümer war überzeugt, dass der Lift in seinem ursprünglichen Zustand noch viele Besucher anziehen würde, denn etwas Seltenes ist für viele Menschen gleichzeitig attraktiv. Das Ergebnis: übermäßige Beliebtheit, vor allem bei bayerischen Gästen. Ein schönes Beispiel für Nostalgie als Umsatzmodell.

Nicht immer alles gut

Wir können alles rund um den Einsitzer romantisieren, aber in der Praxis ist die langsame Liftfahrt auch im Winter eine Herausforderung, besonders in den höher gelegenen Skigebieten. Bei winterlichen Bedingungen, in einem schattigen Wald oder einfach in exponiertem Gelände ist es schwierig, warm zu bleiben. Deshalb bekommst du oft eine Decke, um dich etwas warm zu halten, aber an stürmischen Tagen ist das zermürbend. Damals gab es zum Beispiel den längsten Einersessellift Österreichs zum Hintertuxer Gletscher. Von der Sommerbergalm brachte dich der inzwischen abgerissene Lift über eine Länge von 2,5km zum Tuxer Fernerhaus auf 2.660m Höhe. Ein bizarres Wahrzeichen, aber bei einem Schneesturm sicher kein Spaß.

Auch das Ein- und Aussteigen in die Lifte ist eine ständige Herausforderung für Skifahrer und Snowboarder, so dass die Mitarbeiter den ganzen Tag damit beschäftigt sind, alles reibungslos laufen zu lassen. Deshalb laufen die Lifte normalerweise quälend langsam. Das macht das Ein- und Aussteigen zwar einfacher, aber eine Liftfahrt dauert ewig und die Wartezeiten summieren sich schnell. Bei einer Kapazität von etwa 400 Personen pro Stunde musste man früher in einigen beliebten Skigebieten regelmäßig eine halbe bis eine Stunde warten. Mit den modernen Sesselliften von heute ist die Kapazität manchmal bis zu 10 Mal höher. Ein Segen für viele Wintersportler, denn mit schnellen und modernen Skiliften kannst du an einem einzigen Tag riesige Strecken zurücklegen. Dennoch kommt das nicht immer der Gemütlichkeit zugute, aber gut, solange es noch einige nostalgische Oasen gibt, wird jeder Wintersportler seinen eigenen Lieblingsplatz finden können. Zum Beispiel in dem Skigebiet, das den ältesten noch funktionierenden Einsessellift beherbergt. Ursprünglich stand er in Sun Valley, dem Geburtsort des Einsitzers, ist aber inzwischen nach Mount Eyak in Alaska verlegt worden. Dieser amerikanische Bundesstaat ist eher für die luxuriöseste Form des Skilifts bekannt: Heliskiing!

BenB
Ben arbeitet seit über 20 Jahren im Tourismus und ist Spezialist für den Verkauf von Skireisen.
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