Vorgestellt: Die Geschichte des höchstgelegenen Skiorts Europas- Val Thorens

BenB am 29 Januar 2024

Val Thorens in den 1970er Jahren. Foto: OT Val Thorens
Val Thorens in den 1970er Jahren. Foto: OT Val Thorens

1969 konnte man kaum einen Franzosen finden, der an die Kreation “Val Thorens” glaubte. Es gab keine Straße, kein Leben und die Einheimischen sagten, dass nicht einmal die Kühe so hoch laufen würden, um Gras zu fressen. Heute hat der höchstgelegene Skiort Europas (2.300 m) Unterkünfte mit den höchsten Belegungsraten des Landes. Val Thorens ist eine Erfolgsgeschichte, aber was viele nicht wissen, ist, dass es eigentlich Teil eines viel größeren Skigebiets werden sollte, und das war nicht das heutige Les Trois Vallées.

Finanzielle Probleme Les Menuires

Um die Ursprünge von Val Thorens zu ergründen, müssen wir bis in die 1960er Jahre zurückgehen. Das nahe gelegene Les Menuires war gerade erst gebaut worden (1967), da hatte es bereits mit großen finanziellen Problemen zu kämpfen. Der Bau in hochalpinem Gelände erwies sich als teurer und schwieriger als erwartet, so dass der französische Bauunternehmer Pierre Schnebelen um Hilfe gebeten wurde. Dieser hatte einige Jahre zuvor die Skistation Tignes vor dem Ruin gerettet und war als jemand bekannt, der eine doppelte Besessenheit hatte: so viele Betten wie möglich zu bauen und Skigebiete zu entwickeln, in denen man sowohl im Sommer als auch im Winter Ski fahren konnte. Um den Tourismus im Vallée de Belleville, zu dem auch Les Menuires gehörte, rentabel zu machen, hielt Schnebelen es für wichtig, eine weitere Skistation weiter oben im Tal zu bauen. Mit einer Höhe von 2.300 m musste die höchste Skistation Europas gebaut werden: Val Thorens.

Eine weitere Skistation?

Das war aber noch nicht alles. Schnebelen wollte ein ganzjähriges Urlaubsziel mit Pisten, einem Golfplatz, einem Flughafen und noch einer weiteren Skistation. Das sollte Val Chavière auf 2.129m Höhe werden, gelegen auf der Seite des Maurienne-Tals. Zwischen den beiden Stationen, so der gigantische Plan, sollte ein großes Sommer- und Winterskigebiet entstehen, das sich über sechs Gletscher bis auf eine Höhe von 3.650m erstreckt. Und 35 der 150 Lifte würden das ganze Jahr über in Betrieb sein.

Die Genehmigung für den Bau von Val Chavière wurde jedoch nie erteilt. Das Skigebiet lag in der Kernzone des neu gegründeten Parc national de la Vanoise (1963). Dieser erste Nationalpark Frankreichs, der Flora und Fauna schützen sollte, erwies sich nun als unangenehmes Hindernis für die touristische Entwicklung desselben Gebiets. Durch enge Kontakte zwischen Joseph Fontanet, dem Bürgermeister der Gemeinde Saint Martin de Belleville, und dem französischen Präsidenten Pompidou wurde der Bau von Val Thorens schließlich doch noch genehmigt. Auch der Chavière-Gletscher wurde zum Skifahren freigegeben.

Das nie erschlossene Val Chavière
Das nie erschlossene Val Chavière

Das Skidorf Val Thorens im Wachstum. Foto: fahrenheitseven/valthorens.com
Das Skidorf Val Thorens im Wachstum. Foto: fahrenheitseven/valthorens.com

Weihnachtseröffnung 1971

1969 war es dann soweit. Die Straße nach Les Menuires wurde auf 2.300 Meter verlängert und kurz vor Weihnachten 1971 wurde Val Thorens offiziell eröffnet. Das brandneue Skigebiet bot drei Schlepplifte und nur ein paar hundert Wintersportler hatten die Möglichkeit, in Val Thorens Ski zu fahren. Eigentlich waren die nötigen Einrichtungen noch nicht vorhanden. Ein Jahr später kam ein Fremdenverkehrsbüro hinzu, die erste Skischule wurde gegründet und das erste Restaurant wurde gebaut. Im Jahr 1972 lebten in Val Thorens nur vier oder fünf Familien, die auch heute noch im Ort tätig sind. Sie werden von den wenigen hundert ständigen Bewohnern noch immer als “die Pioniere” bezeichnet.

Lifte so lang und schnell wie möglich

1972 wurde SETAM, die örtliche Liftgesellschaft, gegründet. Pierre Josserand, Vorsitzender und Aushängeschild der SETAM, spielte eine zentrale Rolle bei der Entwicklung des Skigebiets. Wie beim Bau von teils massalen Unterkünften stand die Effizienz des Skigebiets an erster Stelle. Die Lifte mussten so lang und schnell wie möglich sein, um ihre Anzahl zu minimieren. Neben dem Chaviè-Gletscher, wo zwei Schlepplifte platziert wurden (der Polset und der Lombarde), wurde auch der Péclet-Gletscher erschlossen. Mit einem Höhenunterschied von 500 Metern, zwei schwarzen und zwei roten Pisten bot dieser Gletscher im Vergleich zu anderen Sommerskigebieten viel Abwechlsung und Herausforderung für Skibegeisterte. In den 1970er Jahren wurde er auch mit Les Menuires und Méribel im Nachbartal verbunden und 1981 wurde die längste Seilbahn der Welt zur Cime de Caron (3.200 m) gebaut.

Télécabine Péclet, Anfang der 1980er Jahre
Télécabine Péclet, Anfang der 1980er Jahre

Schmelzender Gletscher

Immer mehr Pisten wurden erschlossen, jedes Mal vorbei an den (Un)Möglichkeiten des Parc national de la Vanoise. 1989 kam das Skigebiet Val Chavière sogar wieder ins Spiel, als die Olympischen Spiele in Albertville anstanden. Dabei unterstützten 25 der 26 umliegenden Gemeinden einen Plan zum Bau von sechs neuen Liften auf dem Chavière-Gletscher, während die beiden bestehenden Schlepplifte gerade stillgelegt worden waren. Der Grund: ein Gletscher, der zu schmelzen begann. Die neuen Lifte mussten daher viel höher in Richtung der Aiguille de Péclet gebaut werden. Das Projekt stieß auf viel Kritik, und am 23. April 1989 stiegen vierhundert Menschen auf Tourenskiern auf den Gletscher, um ein riesiges, menschliches “NEIN” zu bilden. Der Plan wurde schließlich verworfen.

Die Schlepplifte auf dem Chavière-Gletscher wurden 1987 außer Betrieb genommen. Heute erinnern nur noch einige rostige Liftreste an das ikonische Projekt von Val Chavière. Bei einer Wanderung auf dem Chavière-Gletscher im Juli 2022 habe ich einige Fotos von diesen mutmaßlichen Überresten gemacht. Der Sommerskibetrieb auf dem Péclet-Gletscher endete im Jahr 2001.

Die Spiele 1992

Obwohl Val Thorens bei den Olympischen Spielen 1992 keine Rolle spielte, profitierte es davon. So wurde zum Beispiel die Zufahrtsstraße nach Moûtiers, die N90, verbreitert, wodurch Val Thorens besser erreichbar wurde. Auch die Entwicklung ging weiter. Ein Vorzeigeobjekt war der Funitel Péclet, der 1990 gebaut wurde. Dieser Lifttyp, der mit zwei Seilen arbeitet und deshalb bei hohen Windgeschwindigkeiten viel stabiler hängt, wurde später in die ganze Welt verkauft. Und 1995 bekam das Maurienne-Tal (von Orelle aus) doch noch die begehrte Liftverbindung nach Val Thorens.

Architektur

An der Architekturfront wurden große Fortschritte gemacht. Von nun an wurden natürliche Materialien verwendet und die bestehenden Betonfassaden mit Holz verkleidet, was dem Ort ein etwas gemütlicheres Aussehen verleiht. Saint Martin de Belleville, das erst in den 1980er Jahren ein Skidorf wurde, ging noch einen Schritt weiter. Aus den gemachten Fehlern klug geworden, forderte der Bürgermeister, dass nur noch Holz und Naturstein verwendet werden sollten. Mit Erfolg, denn Saint Martin de Belleville ist heute der Ort mit der schönsten Atmosphäre im Tal.

Für die Zukunft von Val Thorens ist es schön, dass die französische Regierung die Bedeutung des höchstgelegenen Skigebiets Europas nun offiziell anerkannt hat. Die Skistation darf wieder expandieren. Aber statt größenwahnsinniger Projekte wie dem Bau einer neuen Skistation an der Combe de Thorens (in der Nähe der jetzigen 360 Bar) hat man sich dafür entschieden, brachliegende Grundstücke im Ort mit neuen Unterkünften zu füllen. Apropos effizient.

BenB
Ben arbeitet seit über 20 Jahren im Tourismus und ist Spezialist für den Verkauf von Skireisen.
Schneealarm

Erhalte im Vorfeld deines Skiurlaubs einen kostenlosen Schneealarm per E-Mail deines Reiseziels! Die Benachrichtigungen werden nach deinem Urlaub automatisch gestoppt.