Pisten modellieren - eine gute Idee?

Henri am 08 März 2024

Modellierte Piste im Spieljoch (A)
Modellierte Piste im Spieljoch (A)

In den Alpen tauchen immer mehr platte “Autobahnpisten” ohne Unebenheiten und Wellen auf, abgesehen von nachmittäglichen Buckeln von losem Schnee. Unebenheiten scheinen verschwunden zu sein wie Schnee in der Sonne. Das liegt daran, dass die Skigebiete heutzutage Geländeveränderungen vornehmen und ganze Berghänge straffen und formen. Aber haben wir da nicht das falsche Schönheitsideal vor Augen und was ist mit den Narben, die diese “Pistenfettabsaugung” verursacht?

Spieljoch

Im Skigebiet Fügen - Spieljoch in der Nähe des österreichischen Zillertal hatte ich als Kind mehrere Jahre Skiunterricht. Ich war fasziniert von der Übungspiste (blaue 1a) im oberen Teil des Gebiets. Dieser spielerische Hang schlängelte sich durch die Landschaft und bei jeder Abfahrt konnte man eine andere Linie wählen, was für endlosen Spaß sorgte. Auch in den darauffolgenden Jahren hat mir die 1a sehr gut gefallen. Nach einem Besuch vor ein paar Jahren war ich traurig, als ich eine straffe Piste vorfand, auf der fast alle Elemente, die die Abfahrt für mich so besonders machten, weggeschliffen worden waren. Das Skifahren mag einfacher gewesen sein, aber der Reiz war für mich verschwunden. Das machte mir die Metamorphose bewusst, die Pisten in letzter Zeit durchmachen.

Vergangenheit und Gegenwart

Skifahren in der Vergangenheit war in fast jeder Hinsicht schwieriger als heute. Du hattest weniger Anlagen zur Verfügung, die Skilifte hatten weniger Kapazität und die Pisten waren anspruchsvoller. Lange Zeit waren die Pisten nicht einmal präpariert oder wurden ohne ausgeklügelte Hilfsmittel bearbeitet. Die Abfahrten folgten dem natürlichen Verlauf des Geländes. Unebenheiten erforderten nicht nur eine gute Technik, sondern verhinderten auch regelmäßig, dass die Piste vollständig beschneit werden konnte, so dass die Qualität zu wünschen übrig ließ. Heutzutage ist das Mikrorelief in vielen Skigebieten sozusagen abgesaugt. Bereits 44 Prozent aller österreichischen Skigebiete haben zum Beispiel mehr als die Hälfte ihrer Pistenkilometer durch Bodenarbeiten eingeebnet. Wie kam es zu diesem plötzlichen Drang zur Glattstreichen?

Liftrenovierungen

Geformte, ebene Pisten haben natürlich einen Marketingwert. Schließlich lieben viele Wintersportler das Gefühl, einmal richtig Gas zu geben, und das am liebsten bei leichten Bedingungen. Aber das ist nicht der Hauptgrund für Skigebiete, Pisten zu formen und zu ebnen. Jetzt, wo die Grenzen klar definiert sind und Skigebietserweiterungen selten sind, sind sie damit beschäftigt, das Liftnetz zu aktualisieren. Ein neuer Lift bedeutet oft auch eine Anpassung der dazugehörigen Pisten. Das liegt daran, dass modernere Lifte die Kapazitäten deutlich erhöhen und mehr Skifahrer auf den Berg bringen. Wenn dies nicht mit Anpassungen der Pisten einhergeht, können enge, steile und/oder technisch anspruchsvolle Passagen schnell zu einer Überlastung führen. Die Modellierung ist also nicht nur kosmetisch.

null

Operation gestartet

Um herauszufinden, wo genau diese gefährlichen Abschnitte in den Abfahrten liegen, wird eine Besucherflussanalyse durchgeführt. Wie viel ein bestimmter Hang verkraften kann, hängt von seiner Breite, Fläche, Steilheit, Schneequalität, den Wetterbedingungen und dem Können der Skifahrer ab. Dann kann es losgehen und die kritischen Abschnitte werden verbreitert und eingeebnet. Die oberste Bodenschicht und eventuelle Baumstümpfe werden entfernt, danach wird der Boden gepflügt und größere Steine werden pulverisiert. Schließlich wird der Boden mit Rüttelplatten verdichtet. Gleichzeitig werden die Pisten mit allen möglichen Vorrichtungen ausgestattet, z. B. mit Wasserleitungen, Schneekanonen und sogar Entwässerungsgräben, um das Schmelzwasser aufzufangen.

Optimierung des Beschneiungsprozesses

Neben der Zugänglichkeit für ein breiteres Spektrum von Wintersportlern haben Geländeveränderungen noch einen weiteren Vorteil. Sie ermöglichen es einem Skigebiet, Pisten schneller und effizienter zu beschneien. Ein idealer Hang für eine schnelle Beschneiung ist schattig, nicht steil und hat eine geringe Oberflächenrauhigkeit. Durch die Verringerung der Oberflächenrauhigkeit wird viel weniger Schnee benötigt, um die Piste zu öffnen, was sowohl Energie als auch Wasser spart. Eine raue Oberfläche mit vielen Steinen, Unebenheiten und/oder Baumstümpfen kann zum Beispiel bis zu einem Meter Schnee benötigen, bevor überhaupt an Skifahren zu denken ist. Eine straffe Piste mit Grasunterlage braucht oft nur 20 bis 30cm Schnee, wie wir in unserer Blog “Wieviel Schnee braucht ein Skigebiet bis es eröffnen kann” erklären. Eine wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung also, und sei es nur, um sich damit brüsten zu können, dass dein Skigebiet schon früh in der Saison eröffnet werden kann.

Modellierte Piste mit Schneekanonen im Sommer. Gröden (ITA)
Modellierte Piste mit Schneekanonen im Sommer. Gröden (ITA)

Ökologische Auswirkungen

Anfangs wurden die Auswirkungen auf die Landschaft nach der Pistensanierung kaum beachtet. Touristen sehen das im Winter nicht, da die Geländekorrektur unter einer dicken Schneeschicht liegt, aber vor allem im Sommer sind die Eingriffe als braune Narben in der Landschaft deutlich sichtbar. Bei den Eingriffen wird die nährstoffreiche oberste Schicht des Bodens abgetragen, wodurch die Hänge länger kahl bleiben. Infolge der veränderten Bedingungen und der kürzeren Vegetationsperiode werden einige Pflanzenarten verdrängt. Außerdem haben modifizierte Skipisten eine Barrierewirkung auf Bodenorganismen, weil der Boden meist stark verdichtet ist. Regen und Schmelzwasser können durch diese Verdichtung nicht so leicht versickern, was den direkten Abfluss erhöht und Bodenerosion verursacht.

Dieses Problem ist zwar immer noch aktuell, aber viele Skigebiete waren in den letzten Jahrzehnten nicht untätig und haben Methoden angewendet, um diese Probleme zu minimieren. Die humusreiche oberste Bodenschicht wird zu Beginn der Arbeiten sorgfältig abgetragen und vorübergehend abgedeckt neben den Pisten gelagert. Nach Abschluss der Geländekorrekturen wird dieser Boden wieder eingesetzt, damit sich die Vegetation auf der Stück schneller erholen kann und die vorhandene Flora erhalten bleibt. Umweltorganisationen setzen sich aktiv für diese Begrünung der Skipisten ein.

Durch wirksame Maßnahmen wie die Wiederverwendung von Mutterboden, die Anwendung von Hydrosaat und die Zulassung von nur leichter Beweidung kann sichergestellt werden, dass die Bodenerosion verringert wird und sich das Ökosystem erholen kann. Das hat eine Studie aus dem italienischen Skigebiet Monte Rosa vor einigen Jahren gezeigt. Pistenabschnitte, die in den 1990er Jahren verändert worden waren, wurden seit dem Jahr 2000 genau beobachtet. Obwohl die Bodenfruchtbarkeit weiterhin geringer war als an den umliegenden, ungestörten Standorten, erholte sich die Zusammensetzung der Pflanzenarten nach 30 Jahren.

Geformte Hänge brauchen weniger Schnee als natürliches Gelände
Geformte Hänge brauchen weniger Schnee als natürliches Gelände

Auf der Suche nach dem Gleichgewicht

Es wäre schön, wenn die Skigebiete ein chirurgisches Gleichgewicht zwischen den notwendigen Anpassungen für ein kosteneffizientes Skigebietsmanagement und dem Erhalt der natürlichen Landschaft finden würden. So bleiben unser Skierlebnis und das unserer Kinder nah an der Natur. Schließlich wäre es eine Schande, wenn die einzigen spielerischen Pistenelemente in Zukunft auf einer Funslope zu finden wären.

Henri
Ist Meteorologe und weiß zudem alles über neue Lifte und Projekte sowie Entwicklungen in den Skigebieten.
Schneealarm

Erhalte im Vorfeld deines Skiurlaubs einen kostenlosen Schneealarm per E-Mail deines Reiseziels! Die Benachrichtigungen werden nach deinem Urlaub automatisch gestoppt.